Einleitung
Die Automobilindustrie steckt mitten in einem radikalen Wandel. Das Auto ist längst kein Motor mit Rädern mehr, sondern ein rollendes Rechenzentrum. Vernetzte Fahrzeuge, Over-the-Air-Updates, automatisiertes Fahren und softwaredefinierte Architekturen – alles klingt nach Zukunft, nach Effizienz, nach neuen Geschäftsmodellen. Aber: Je mehr Software wir ins Auto packen, desto mehr Einfallstore schaffen wir für Angreifer. Und genau hier liegt die eigentliche Herausforderung.
Als jemand, der seit Jahren Cybersicherheit in hochregulierten Branchen verantwortet, erkenne ich ein Muster: Innovation schreitet voran, Sicherheit hinkt hinterher – und das Rennen wird immer enger.
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Warum Cybersicherheit heute unverzichtbar ist
Stellen Sie sich ein modernes Auto vor: über 100 Steuergeräte, komplexe Netzwerke, Gigabytes an Code. CAN-Bus, Ethernet, V2X – die Liste ist lang. All das sorgt dafür, dass das Fahrzeug funktioniert, aber eben auch dafür, dass Angreifer eine Menge Angriffsfläche vorfinden. Schon ein kleiner Fehler im Code oder eine ungesicherte Schnittstelle kann fatale Folgen haben – vom simplen Datendiebstahl bis zur Manipulation der Bremsen. Willkommen in der Realität von 2025.
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Bedrohungsszenarien – kein Stoff für Science-Fiction
Es klingt nach Thriller, ist aber längst Alltag: Autos, die über den CAN-Bus ferngesteuert werden. Keyless-Go-Systeme, die Kriminelle mit einem Funkverstärker austricksen. OTA-Updates, die statt neuer Funktionen gleich Schadsoftware mitbringen. Und wenn die Cloud, die all die schönen Connected-Car-Dienste antreibt, kompromittiert wird, reden wir nicht mehr von einem Auto – sondern von Millionen.
Noch gefährlicher wird es, wenn die Sensoren für automatisiertes Fahren ins Visier geraten. Ein falsches Stoppschild hier, ein manipuliertes Lidar-Signal dort – und plötzlich wird die schöne Vision vom autonomen Fahren zur Gefahr.
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Regulierung – nicht nur Papierkram
Natürlich haben auch die Regulierer gemerkt, dass man hier nicht einfach auf Selbstregulierung hoffen darf. ISO/SAE 21434, UNECE WP.29, ISO 26262 – für Außenstehende wirken das wie Abkürzungen aus einer Geheimakte. In Wahrheit sind es aber die Spielregeln, die sicherstellen sollen, dass Hersteller Cybersecurity nicht wie ein lästiges Add-on behandeln, sondern als festen Bestandteil der Entwicklung.
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Technologie als Schutzschild – mit Macken
Die Branche arbeitet fieberhaft an technischen Lösungen: Secure Boot, HSMs, Intrusion Detection, segmentierte Netzwerke. Klingt alles wie aus dem Handbuch für IT-Sicherheit, nur dass es diesmal nicht um Server im Rechenzentrum geht, sondern um Fahrzeuge, die zehn bis fünfzehn Jahre auf der Straße bleiben. Echtzeitfähigkeit, Zuverlässigkeit und Langlebigkeit sind hier keine „nice to haves“, sondern überlebenswichtig.
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Herausforderungen – und warum Security Chefsache ist
Das größte Missverständnis: Sicherheit ist mit der Auslieferung des Autos erledigt. Falsch. Der Lebenszyklus beginnt da erst. Updates müssen über Jahre hinweg kommen, Supply Chains müssen abgesichert werden, während der Kostendruck steigt. Und – Hand aufs Herz – viele Ingenieure im Automotive-Bereich sind Weltklasse in Mechanik und Elektronik, aber eben keine Security-Experten.
Kurz: Wer Cybersicherheit ernst nimmt, darf das Thema nicht an die IT-Abteilung delegieren. Das ist Managementverantwortung.
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Zukunftstrends – mehr als Schlagworte
Die kommenden Jahre werden spannend. Softwaredefinierte Fahrzeuge machen kontinuierliche Security-Updates unverzichtbar. Angreifer setzen zunehmend KI ein – also brauchen auch Verteidiger intelligente Systeme, um mithalten zu können. Und ja, irgendwann wird die Quantenkryptografie auf der Agenda stehen, ob die Branche will oder nicht.
Bemerkenswert ist, dass die Hersteller zunehmend kooperieren, weil jeder versteht: Alleingänge sind ineffizient. Parallel dazu werden die Regulierungen strenger und international harmonisiert.
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Was andere Branchen lernen können
Die Automobilindustrie ist ein perfektes Fallbeispiel für digitale Transformation. Systeme mit langen Lebenszyklen, immer neue Bedrohungen, komplexe Supply Chains. Sicherheit ist kein Feature, das man ins Prospekt schreibt, sondern ein Prozess, den man Tag für Tag pflegen muss.
Und ganz ehrlich: Genau das gilt für die Medizintechnik, die Energiebranche oder Industrie 4.0 genauso. Wer hier mitliest und nicht aus der Automobilindustrie kommt – nehmen Sie die Parallelen ernst.
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Fazit
Cybersicherheit entscheidet über Vertrauen. Ohne Vertrauen keine Kunden, ohne Kunden kein Geschäft. In der Automobilbranche ist das besonders offensichtlich, weil hier Leben direkt auf dem Spiel stehen. Aber eigentlich gilt es für jede Branche.
Die Standards sind da – ISO/SAE 21434, UNECE WP.29 – doch die eigentliche Arbeit beginnt jetzt. Sicherheit ist kein Projekt, das man abhaken kann. Es ist ein Prozess, der den gesamten Lebenszyklus eines Produkts begleitet.
Und ja: Die Automobilindustrie ist spannend. Sie zeigt uns, wie Digitalisierung und Sicherheit aufeinanderprallen – und wie man diesen Clash meistern muss.
Euer Simon
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